Tagebuch von Maria Magdalena Winkler-Hermaden - Teil 3

Lebenserinnerungen der Maria Magdalena (Helene genannt) Winkler-Hermaden

TEIL 3 – „Der eingebildete Mann, den ich nie heiraten würde“

Meine Heimat Untersteiermark wurde abgetrennt, ich gehörte auf einmal zu Serbien. Da sagten die Feinde, der Besitz muss mir weggenommen werden, ich sei eine „Windische“. Ja, leicht hatte ich es nicht. Ich habe da Sehnsucht gehabt, nur einen Menschen um mich zu haben, den ich in Not um Rat fragen kann. Man muss bedenken, ich war doch erst 26 Jahre alt. Da kam die Rettung!

Es dürfte am 21. Dezember 1918 gewesen sein, ich hatte in Fehring zu tun und kam erst gegen 4 Uhr Nachmittag nach Hause, es dunkelte schon. Da sagte mir die Köchin, ein Herr Oberleutnant wartet schon den ganzen Tag auf mich. Ich ging in das Bauernstüberl, da war ein großer, hagerer Mensch, wortkarg, sehr zurückhaltend kühl, na ich sagte mir ein eingebildeter Mann. Er stellte sich mir als Herr Dr. Winkler von Hermaden vor, der Name war mir sympathisch. Nun trug er sein Anliegen vor, und zwar, da er jetzt vier Jahre von den Eltern getrennt war, möchte er im Sommer mit den Eltern zusammen wohnen, er sei Geologe und arbeitet wissenschaftlich in der Gegend. Momentan war ich noch abgeneigt zu vermieten, da ich überhaupt nicht wusste, was ich eigentlich anfangen soll. Ich sagte dem Herrn Dr., ich werde es mir überlegen und er möge noch einmal anfragen. Draußen war ein großes Quatschwetter, sehr nass, also Tauwetter. Die Zeit war schon sehr fortgeschritten, finster und unfreundlich. Auf dem Lande ist es eben nicht üblich, so spät einen Gast aus dem Hause weggehen zu lassen, da trug ich dem Dr. an, er möge ruhig hier übernachten. Ganz entrüstet lehnte er es ab. Ich habe es bei mir gedacht: Ist das ein eingebildeter Mensch, den möchte ich wohl niemals heiraten. Nach eingenommener Jause ging er nach Fehring. Ich war auch etwas beleidigt, dass er meine Gastfreundschaft ablehnte. Ich dachte, wenn du so dumm bist, dann gehe nur, ich kenne den Weg besser und weiß, wie schwer er zu gehen ist. Dieser Fall war für mich erledigt, ich habe an den Mann gar nicht mehr gedacht.

Die Schwierigkeiten für mich als Besitzer wurden immer größer, oft habe ich es schon verwunschen, dass ich Erbin des Besitzes wurde. Auf einmal im März kommt eine Anfrage des Herrn Feldmarschallleutnant Winkler von Hermaden, ob ich gewillt bin, eine Wohnung über den Sommer zu vermieten. An den jungen Doktor dachte ich nicht mehr. Vor meinen Augen sah ich jetzt nur die alten Eltern und sehnte mich nach Eltern, nach lieben Menschen, nach Schutz und Beratung. Es war mir daher die Anfrage wie gewünscht, ich schrieb sofort zurück und wir wurden einig. Um den 3. oder 4. März kam der junge Doktor zuerst selbst. Meine Freundin Poldi war bei mir als „Gardedame“. Da ich nicht wollte, dass der Doktor im Gasthaus isst und die Leute neugierig herumschnüffeln, habe ich mich entschlossen, bis zur Ankunft seiner Eltern die Verpflegung zu geben. Wir aßen immer zusammen und am Abend blieben wir immer etwas auf. Der Doktor spielte mit uns Domino und verlor ständig. Wir hatten daran Freude – später erzählte er mir, dass er absichtlich schlecht spielte – und so wurde jeden Abend gespielt. Ich lernte den Doktor näher kennen, er war gut, zurückhaltend, aber er konnte auch lustig sein. Mit der Zeit haben wir am Abend schon die Tagesereignisse besprochen, ich fragte ihn hie und da schon um seinen Rat, er war ein sehr angenehmer Hausbewohner. Mein damaliges Hunderl „Wurzi“, ein brauner, sehr kluger Zwergschnauzer, den ich von Herrn Rittmeister geschenkt erhielt, befreundete sich mit dem Doktor und begleitete ihn auf seinen Touren. Sobald Frühlingsblumerl waren, brachte uns der Doktor immer Blümerl von seiner Tour mit. Übertags ging er immer auf Tour.

Nun mittlerweile meldeten seine Eltern die Ankunft an. Am 7. Mai kamen sie von Wien. Am 8. Mai hatte der Doktor Geburtstag. Schon war eine Aussprache zwischen uns. Wir beschlossen uns Kameraden zu sein, aber heiraten wollten wir beide nicht. Ich deshalb nicht, da ich einen Landwirten haben wollte und er, da er von seiner Wissenschaft nicht abgehen wollte. Ich habe dem Doktor daher zu seinem Geburtstag einen Gugelhupf gebacken und verzierte ihn mit den Blumen „Vergissmeinnicht“. Diese Blume soll unser „Lebenssymbol“ sein. Am 31. Mai kam Herr A. aus Wohlen (Schweiz) mit Ökonomierat Fritz S. wegen Besichtigung und Kauf des Schlosses hier an. Dr. A. spielte in meinem Leben eine große Rolle und wurde mir nicht nur mein bester Lebensfreund, sondern er wurde auch der Retter von Kapfenstein.

Als wir durch den Wald gingen, gefiel es ihm sehr gut. Bei der dicken schönen Buche drehten wir uns gegenseitig um und da beschloss Dr. A. mir den Besitz nicht abkaufen zu wollen, sondern es mir erhalten zu helfen. Zum so often Male hat sich mein Schicksal wieder entschieden, es war in dem schönen Wald. Die Buche hat es gehört und deshalb soll ihr auch das Leben erhalten bleiben. Niemals soll sich eine Hand wagen, sie zu fällen. Die Buche soll aus eigenem sterben! Am 2. Juni ist Dr. A. von Kapfenstein abgereist. Am 9. Juni um 4 Uhr Nachmittag bin ich mit Herrn Dr. von Winkler nach Gleichenberg gegangen, um 11 Uhr wieder zurück. Am 3. Juli beschlossen wir, dass wir am 20. Juli heiraten. Am 4. Juli waren wir beide beim Pfarrer. Schon am 10. Juli zog ich die Verkündigung beim Pfarrer zurück. Ich wollte doch nicht heiraten. Am 11. Juli zogen die Exzellenzen fort, sie reisten nach Wien und der Doktor übersiedelte nach Tieschen. Wir beschlossen, uns am 20. Juli in Tieschen zu treffen und unter dieser Zeit uns wirklich zu prüfen, ob wir uns auch zum Heiraten genügend gerne haben. Ich wankte leider hin und her und statt nach Tieschen zu fahren, fuhr ich nach Graz, da ich große Zahnschmerzen hatte. Bei dieser Gelegenheit wollte ich mir nochmals Rat bei meinem Freund Dr. von S. holen. Dr. S. war gegen diese Heirat, er sagte ich kann unmöglich ohne Geld heiraten, ich werde nicht weiter wirtschaften können. Als ich ihm aber die Gründe zur Heirat klar machte und fragte, ob er glaubt, dass Dr. Winkler einmal in seiner Wissenschaft etwas erreichen wird, gab er mir lachend gerade auf der Murbrücke in Graz die Antwort: Erreichen wird er unbedingt einmal etwas … aber wann … Mir war dies ausschlaggebend, denn ich vertraute immer meinen Freunden. Es genügte mir, wenn der Doktor einmal etwas erreicht, bis dorthin wollte ich selbst die Wirtschaft führen.

Nach Kapfenstein zurückgekehrt fuhr ich am nächsten Tag mit Fräulein Poldi und meinem treuen Fuscherl nach Tieschen. Ich suchte nach dem Doktor und fand ihn nicht. Bei Oberlehrer K. erfuhr ich, wo er sich aufgehalten hat. Ich ging in das Gasthaus, aber er sieht mich gar nicht an, ich fragte nach dem Grund, nach langen Mühen stellte sich heraus, dass der Doktor sehr beleidigt wurde, dass ich nach Graz fuhr und nicht wie beabsichtigt am 20. zu ihm. Inzwischen hat er mir einen Abschiedsbrief geschrieben, den ich aber nicht erhalten habe, d.h. nicht vor der Fahrt nach Tieschen. Es hat so sollen sein, denn sonst wäre der Doktor wohl nicht mein Mann geworden. Wir haben uns angeschaut und fuhren am selben Tag nach Kapfenstein zurück. Am Fuße des Berges nach Tieschen stiegen wir vom Wagen ab und gingen den Berg zu Fuß. Poldi blieb im Wagen und kutschierte. Da sie aber des Kutschierens ganz unkundig war, brachte sie das Pferd auf der Höhe gar nicht zum Stehen, sondern fuhr weiter und wir mussten bis Kapfenstein immer hinter dem Wagen herlaufen und konnten es nicht erreichen, dabei hat es in Strömen geregnet.

Zu Hause angelangt erwartete uns die Dorfmusik, es war mein Namenstag. Also der Einzug des jungen Schlossherren war sehr würdig, wir beschlossen, am 10. August zu heiraten. Der Hochzeitstag war sehr schön. Das ganze Dorf war versammelt und nahm an dem Zug zur Kapelle auf dem Kogel teil. Die Trauung vollzog Pfarrer Unger, den ich sehr gerne hatte. Als die Trauung war, standen auf dem Fahrweg zur Kapelle noch mächtige Eichen, der Zug durch diese Eichenallee war wundervoll und er blieb mir immer unvergesslich. Nun habe ich in großen Zügen das Leben von meiner Ankunft bis zu vollzogenen Trauung für meinen Sohn und hoffentlich auch für meine Enkelkinder auf Schloss Kapfenstein festgehalten.